Beeinflussung erkennen

„Wir hatten die Möglichkeit, gemeinsam mit einem Arzneimittelhersteller an einem Stand bei einem Kongress zu stehen. Wir fanden das eine tolle Gelegenheit zu zeigen, was wir alles machen und um neue Leute zu erreichen. Die Gebühren für so einen Stand hätten wir uns alleine niemals leisten können. Aber ich frage mich schon, was die bewogen hat, uns dazu zu holen.“

Diese Frage sollte man sich bei der Zusammenarbeit mit arzneimittelproduzierenden Unternehmen auf jeden Fall stellen; auch wenn es korrespondierende Interessen, zum Beispiel die Erforschung neuer oder besser verträglicher Medikamente gibt. Es lohnt sich für die Selbsthilfe, sich mit den Strategien der Pharmaindustrie vertraut zu machen. Wenn Selbsthilfegruppen die Methoden des Pharmamarketings kennen, gewinnen sie Handlungsspielräume. Sie sind dann weniger beeinflussbar. Welche Interessen also haben diese Firmen an einer Kooperation mit der Selbsthilfe?

Patient*innen im Fokus

Der Draht direkt zu Selbsthilfegruppen ist für Pharmaunternehmen aus Marketingsicht sinnvoll. Denn Patient*innen reden heute mehr mit als früher und haben gesetzlich verankerte Mitspracherechte. Das betrifft zum einen die Beziehung zum*zur Ärzt*in bei Behandlungsentscheidungen. Zum anderen haben Patient*innen heute die Möglichkeit, als Mitglieder der Patientenvertretung in gesundheitspolitischen Gremien mitzuwirken – zum Beispiel im Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA), wo unter anderem darüber entschieden wird, welche medizinischen Leistungen die gesetzlichen Krankenkassen bezahlen.

Subtile Methoden

In Deutschland ist Werbung für verschreibungspflichtige Arzneimittel bei Verbraucher*innen verboten (§ 10 Abs. 1 HWG). Diese Arzneimittel dürfen nur in Fachkreisen beworben werden – also bei Ärzt*innen oder bei Apotheker*innen. Auch für die Werbung für rezeptfreie Arzneimittel gibt es Beschränkungen.

Das sogenannte Direct-to-Consumer-Marketing (direkte Ansprache der Kund*innen) setzt deshalb auf Imagepflege, „Kundenbindung“ und darauf, dass über die Patient*innen eine Nachfrage nach bestimmten Präparaten bei den Ärzt*innen erzeugt wird. Hierzu gehören auch Informationsveranstaltungen, Broschüren und Internetseiten, Umfragen, Hotlines oder telefonische Unterstützungsangebote und die Einbeziehung in Anwendungsstudien für bereit zugelassene Medikamente.

Patientengruppen werden von Unternehmen auch schon mal als “Bodentruppen” bezeichnet, mit denen das außerhalb von Fachkreisen geltende Werbeverbot für verschreibungspflichtige Medikamente umgangen werden soll (Klemperer 2008).

Ebenfalls nicht unter das Werbeverbot fallen Hinweise auf Unternehmen selbst – wie Logos auf Broschüren oder Internetseiten von Selbsthilfegruppen oder -vereinigungen oder Imageanzeigen in Mitgliederzeitschriften aus der Selbsthilfe. Zum Teil werben Unternehmen auch verdeckt in Sozialen Netzwerken und Internetforen mit Beiträgen von vermeintlichen Betroffenen, die sich dort lobend über bestimmte Medikamente äußern.

Spende:

Eine Spende ist eine freiwillige Geld-, Sach- oder Zeitzuwendung.

Sponsoring:

Sponsoring ist die Bereitstellung von Geld, Sachmitteln oder Dienstleistungen zur Förderung von Organisationen mit direkten oder indirekten Gegenleistungen des*der Gesponserten. Das Sponsoring zielt auf die Erreichung von Zielen der eigenen Unternehmenskommunikation durch Image- und Werbewirkung.

Studien zufolge fließt zwei- bis dreimal so viel Geld in die Vermarktung bereits existierender Produkte als in die Entwicklung neuer Produkte. Die Investition in Direct-to-Consumer-Marketing lohnt sich: Jeder hier investierte US-Dollar führt zu einem Vierfachen an Umsatzsteigerung (Schubert / Glaeske 2007).

Worauf ist bei einer finanziellen oder inhaltlichen Kooperation mit Wirtschaftsunternehmen zu achten? Hier finden Sie einige Tipps.